Abstract
Kaum ein Werk stellt für Dramaturgen, Regisseure und Komponisten eine derart hohe Herausforderung dar wie Goethes Faust. Es verwundert daher kaum, dass nach der Veröffentlichung 1832 fast ein halbes Jahrhundert verging, ehe Otto Devrient – Regisseur und Mephisto-Darsteller in einer Person – 1876 am Weimarer Hoftheater eine Aufführung beider Faust-Teile wagte. Mysterium in zwei Tagewerken nannte er diese erste Gesamtaufführung. In enger Abstimmung mit Devrient komponierte der dänisch-belgische Komponist Eduard Lassen die Musik dazu und entwickelte zugleich ein völlig neuartiges Konzept der Schauspielmusik.
Dieses Buch stellt drei Inszenierungskonzepte der frühen Faust-Gesamtaufführungen vor (Weimar 1876, Hannover 1877 und Wien 1883), die Hannah Lütkenhöner aufgrund neu entdeckter Quellen rekonstruieren konnte. Sie gewähren einen Einblick in die Phase der Etablierung beider Teile des Faust auf deutschsprachigen Bühnen. Darüber hinaus geht die Autorin der weiteren Rezeptionsgeschichte von Lassens Faust-Musiknach: Im deutschen und ausländischen Sprachraum, auf der Bühne, im Konzertsaal und sogar im frühen Hörspiel wurde sie bis weit ins 20. Jahrhundert hinein aufgeführt – und erfuhr so eine für Schauspielmusiken nahezu beispiellose Verbreitung.