Abstract
In Werken des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts fallen immer wieder einzelne Sätze oder Satzteile auf, die sich durch ihren ruhigen, lyrischen Charakter von der sie unmittelbar umgebenden Musik deutlich abheben, ohne dass dies aus dem Zusammenhang des jeweiligen Werkes erklärbar wäre. Doch als musikalische Idyllen verstanden, erhalten diese Sätze eine besondere Bedeutung, analog den Idyllen in der Dichtkunst.
In Anlehnung an die literarische Gattung der Idylle hat die Autorin Kriterien zur Bestimmung einer musikalischen Idylle herausgearbeitet. In Werken Franz Schuberts, Anton Bruckners, Gustav Mahlers und (mit Einschränkungen) Anton Weberns spürt sie rein musikalische - das heisst nicht an eine literarische Vorlage gebundene - Idyllen auf und geht Beziehungen zwischen ihnen, dem jeweiligen musikalischen Zusammenhang und der Biografie der Komponisten nach.
Die Untersuchung der Entstehungsursachen von Idyllen im Verlauf ihrer Geschichte macht ihre Funktion als geistiges Ventil vor allem in Krisenzeiten deutlich: Die (musikalische) Idylle ist nicht nur ein Gefäss für Wunschträume, sondern auch für Kritik an der Realität.