Abstract
Der französische Wagnérisme gehört zu den herausragenden Rezeptionsphänomenen der Musik- und Kulturgeschichte. Richard Wagners Werk und sein ästhetischer Entwurf gewannen in Frankreich zwischen dem deutsch-französischen Krieg und dem 1. Weltkrieg einen besonderen, weit gefächerten Einfluss, welcher nicht nur in allen Künsten, sondern auch in Politik und Gesellschaft sowie besonders in der Musik wirksam wurde. Vor dem Hintergrund einer Übersicht über die allgemeine und öffentliche Rezeption Wagners stellen sich die französischen Komponisten dieser Epoche als eine Gruppe dar, deren Rolle innerhalb des Wagnérisme sich von der anderer Künstler deutlich unterschied. Vom Werke Wagners in vielerlei Hinsicht angeregt, setzten sie sich dennoch kritisch mit seinen Besonderheiten auseinander und standen gerade deswegen der blinden Wagner-Verehrung oder -Ablehnung skeptisch gegenüber.— Inwieweit in bestimmten Musikdramen Wagners ästhetische Vorstellungen ihren Niederschlag gefunden haben, verrät der Blick auf das einzelne Werk: auf Vincent d’Indys „Fervaal“. Dieses stellt sich als eine Komposition dar, in der sich bewährte Traditionen auch nicht-wagnerischer Provenienz und ihre werkspezifische Handhabung sowie individuelle Lösungen zu einem neuartigen Operntypus verbinden.